US-Physiker spekulieren über Zeitreisen
Der riesige Beschleuniger LHC in Genf könnte als Zeitmaschine dienen. Bei Kollisionen gebildete Teilchen wären in der Lage, Botschaften in die Vergangenheit zu senden, glauben US-Physiker. Forscherkollegen sind skeptisch.
Es sind winzig kleine Partikel, die am Large Hadron Collider (LHC) nahe Genf miteinander kollidieren. Von der Auswertung der Protonen-Crashs erhoffen sich Forscher ganz neue Einblicke in die Teilchenphysik. Das Standardmodell der Elementarteilchen steht auf dem Prüfstand, der Urknall und Schwarze Löcher sollen erforscht werden.
Physiker von der Vanderbilt University glauben, dass der mächtigste Teilchenbeschleuniger der Welt womöglich sogar als Zeitmaschine dienen kann. Bei den Kollisionen könnten demnach Teilchen entstehen, mit denen man eines Tages Botschaften in die Zukunft, aber auch in die Vergangenheit übermitteln könnte.
Es sind winzig kleine Partikel, die am Large Hadron Collider (LHC) nahe Genf miteinander kollidieren. Von der Auswertung der Protonen-Crashs erhoffen sich Forscher ganz neue Einblicke in die Teilchenphysik. Das Standardmodell der Elementarteilchen steht auf dem Prüfstand, der Urknall und Schwarze Löcher sollen erforscht werden.
Physiker von der Vanderbilt University glauben, dass der mächtigste Teilchenbeschleuniger der Welt womöglich sogar als Zeitmaschine dienen kann. Bei den Kollisionen könnten demnach Teilchen entstehen, mit denen man eines Tages Botschaften in die Zukunft, aber auch in die Vergangenheit übermitteln könnte.
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"Zeitreisen waren schon immer ein ambitionierter Traum in der Science-Fiction", schreiben Thomas Weiler und seine Kollegen in ihrer Arbeit, die bislang nur auf der Webseite arxiv.org publiziert ist. Dort laden Forscher neue Studien vor der eigentlichen Veröffentlichung in einem Fachjournal hoch, um darüber mit Kollegen in der ganzen Welt zu diskutieren.
Zeitreisen sind freilich eine äußerst heikle Angelegenheit. Wären sie für einen Mensch möglich, dann könnte er zum Beispiel in die Vergangenheit reisen und dort seine eigene Zeugung verhindern. Würde er sich dabei selbst vernichten? Oder wäre er bei der Zeitreise einfach in einem anderen Universum gelandet, in dem er gar nicht vorkommt?
"Unsere Theorie ist reine Spekulation", sagt Weiler, "aber sie verstößt nicht gegen physikalische Gesetze." Die Zeitmaschine wäre demnach eine Art Nebenprodukt bei der Jagd nach dem Higgs-Boson. Dieses mysteriöse Teilchen, das Materie Masse verleiht, hoffen Physiker bei den Protonen-Kollisionen am LHC nachweisen zu können.
Schlägt die Logik der Mathematik die menschliche Logik?
Manche Theoretiker sagen voraus, dass nicht nur Higgs-Bosonen entdeckt werden, sondern auch ein sogenanntes Higgs-Singlet. Und dieser Partikel soll laut Weiler in der Lage sein, in die Zukunft oder Vergangenheit zu springen - und dort aufzutauchen.
Der Ansatz vermeide all die großen Paradoxa, die normalerweise mit Zeitreisen verbunden seien, sagt Weiler. "Weil Zeitreisen auf diese speziellen Teilchen beschränkt sind, kann ein Mensch nicht in die Vergangenheit reisen und seinen Vater oder seine Mutter vor seiner eigenen Geburt umbringen." Wenn es Wissenschaftlern aber gelänge, die Produktion von Higgs-Singlets zu steuern, dann könnten sie womöglich Botschaften in die Vergangenheit oder Zukunft senden, erklärt der Professor.
Damit wären trotzdem weitere Paradoxa möglich, das räumt auch Weiler ein. So könnte ein Mensch einen tödlich verunglückten Verwandten vor dem Unfall warnen, so dass dieser nicht stirbt.
Auch aus diesem Grund haben Forscherkollegen große Zweifel, ob man die Arbeit von der Vanderbilt University überhaupt ernst nehmen soll. "Zeitreisen zurück in die Vergangenheit von existierenden Teilchen sind in der Physik nicht möglich", sagt Dieter Lüst vom Münchner Max-Planck-Institut für Physik (Werner-Heisenberg-Institut). Es gebe zwar entsprechende mathematische Lösungen der Einsteinschen Gleichungen, aber aus grundsätzlichen Überlegungen könne man diese Lösungen in der Physik nicht akzeptieren.
"Das ist das Prinzip der Kausalität in der Physik, also keine Wirkung ohne vorherige Ursache", sagt Lüst im Gespräch mit Spiegel Online. Deswegen sei auch eine Zeitreise mit dem Higgs-Singlet zurück in die Vergangenheit nicht möglich. "Die Arbeit von Ho und Weiler beruft sich auf mathematische Lösungen der Einstein-Gleichungen in höheren Dimensionen, die aber in der Physik meiner Meinung nach keinen Sinn ergeben."
Weiler sieht die Sache etwas anders: "Es ist gibt kein bewiesenes Gesetz von Ursache und Wirkung." Das beste, was Theoretiker tun könnten, sei, die Logik der Gleichungen voranzutreiben und zu schauen, was möglich ist. "Dann machen wir Experimente, um herauszufinden, ob das, was mathematisch möglich ist, auch in der Realität geschieht." Ein Ursache-Wirkungs-Dogma will Weiler nicht einfach so akzeptieren: "Für mich schlägt die Logik der Mathematik die menschliche Logik."
Rechnen mit Strings in zehn oder elf Dimensionen
Die von Weilers Team vermuteten Zeitreisen vom Higgs-Singlet beruhen auf der sogenannten M-Theorie, die wiederum eine Erweiterung der String-Theorie ist. Die String-Theorie versucht, die verschiedenen Fundamentalkräfte der Physik einheitlich zu erklären. Weil es jedoch verschiedene String-Theorien gibt und keiner weiß, welche die richtige ist, mussten die Theoretiker die M-Theorie entwerfen, die alle diese String-Theorien zusammenführt.
Laut M-Theorie existieren nicht nur die uns bekannten drei Dimensionen - inklusive der Zeit soll es vielmehr zehn oder sogar elf Dimensionen geben. Unsere dreidimensionale Welt würde darin eine sogenannte Hyperfläche bilden - Physiker nennen sie 3-Bran (von Membran). Hyperflächen sind letztlich Objekte, die eine niedrigere Dimension haben als der Raum, in dem sie sich befinden. Ein Beispiel dafür sind Flächen oder Geraden im dreidimensionalen Raum.
Zumindest theoretisch seien in einer solchen hochdimensionalen Welt tatsächlich Zeitreisen möglich, erklärt Marco Baumgartl von der Universität Hamburg. "Es ist ein Szenario denkbar, in dem sich zum Beispiel Licht von der 3-Bran entfernt, durch die höheren Dimensionen reist und wieder auf die 3-Bran zurückfindet." Durch die Krümmung der Raumzeit könne es passieren, dass der Weg durch die höheren Dimensionen für das Lichtquant kürzer sei als der Weg entlang der 3-Bran.
Anschaulich kann man sich dies auf einer Kugeloberfläche im dreidimensionalen Raum vorstellen. Ein Lebewesen, das nur zwei Dimensionen kennt und auf der Kugeloberfläche lebt, für das ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten länger als für alle, die drei Dimensionen kennen. Um die Kugel halb zu umrunden, müsste es immer auf der Oberfläche bleiben. Ein anderes Wesen, das die dritte Dimension nutzen kann, könnte dagegen quer durch die Kugel stoßen - und wäre bei gleicher Geschwindigkeit viel schneller am Ziel. Auch wenn der Vergleich etwas unsauber ist: Der kürzeste Weg von Deutschland nach Australien verläuft ebenso quer durch die Erdkugel - ein Flugzeug muss einen deutlich längeren Weg nehmen.
Wichtig sei, betont Baumgartl, dass vom Standpunkt der gesamten Raumzeit die Lichtgeschwindigkeit bei einer solchen Abkürzung nicht überschritten werde, somit werde auch nicht gegen das Prinzip der Kausalität verstoßen. "Ein Beobachter auf der 3-Bran würde jedoch eine scheinbare Kausalitätsverletzung beobachten", erklärt Baumgartl. Solange nur eine derartige scheinbare Kausalitätsverletzung vorliege, würden die mit Zeitreisen verbundenen Paradoxa nicht auftreten. "Allerdings sind damit leider auch keine echten Zeitreisen im Sinne mancher Science-Fiction-Autoren möglich."
Weiler schlägt trotz der Zweifel an seiner Theorie vor, gezielt nach den Higgs-Singlets zu suchen. Nach seinen Berechnungen könnten sie am LHC Entfernungen von zehn Metern mit Überlichtgeschwindigkeit zurücklegen. Es gehe also zunächst um sehr kleine Zeitsprünge von etwa einer Picosekunde.